Radikale Umkehr in Bildungspolitik gefordert

Eine Volksinitiative hat die Bildungspolitik im Land kritisiert. Die Forderung: 1400 Fachkräfte zusätzlich. An Geld fehlt es offenbar nicht.

Volksstimme 26.10.2017 – Alexander Walter

Magdeburg l Andere Initiativen scheitern schon mal am Mangel an Unterstützern. Bei dieser kamen Zweifel gar nicht erst auf. 77.000 gültige Stimmen hat das Bündnis „Den Mangel beenden – für die Zukunft unserer Kinder“ seit Mai gesammelt. Für ein Rederecht im Landtag nötig gewesen wären nur 30.000.

Gestern durfte ein Vertreter im Landtag sprechen. Thomas Jaeger fasste seine Sicht auf die Lage an den Schulen in markige Worte: „Das Bildungswesen brennt“, sagte der Vorsitzende des Landeselternrats zu den Abgeordneten. Allein im vergangenen Monat habe es auf einer eigens eingerichteten Webseite 50 Meldungen über Missstände gegeben. Unterricht falle aus, Fächer würden gekürzt, Inklusion sei schwer möglich, weil überall Personal fehle. Das System sei über die Grenze hinaus strapaziert: „Immer mehr Lehrer scheiden vorzeitig aus.“ Angesichts des bevorstehenden Ruhestands vieler Kollegen seien auch die Perspektiven düster. Von der Koalition forderte Jaeger eine „radikale Umkehr“ in der Personalpolitik. Er warb vor allem für die sofortige Einstellung von 1000 Lehrern und 400 pädagogischen Mitarbeitern zusätzlich. Der Landtag müsse die Probleme lösen. „Sonst verspielen wir Vertrauen in die Demokratie.“

Forderungen “unrealistisch”

Bildungsminister Marco Tullner (CDU) lobte die Ziele. „Über das Tempo kann man streiten.“ Die Forderung nach sofortigen Einstellungen sei „plakativ und unrealistisch“. Er sei an den Haushalt gebunden. Tullner verwies auf Anstrengungen der Koalition. In der Bildungspolitik habe diese eine Trendwende eingeleitet. Mit 1000 Lehrern seien in dieser Legislatur so viele Lehrer eingestellt worden wie nie. Der Minister kündigte ein Konzept zum Einsatz pädagogischer Mitarbeiter an. Ihre Zahl soll ab 2019 um 300 auf 1800 steigen.

Selbstkritik übte SPD-Bildungspolitikerin Angela Kolb-Janssen. Ihre Partei trage Mitverantwortung am „überzogenen Spardruck“ der vergangenen Jahre. Zugleich kritisierte sie Marco Tullner: Vollzogene Kürzungen am Personalbedarf der Grundschulen seien ebenso ein Fehler wie die Trennung von Dutzenden Sprachlehrern gewesen. Kolb-Janssen warf Tullner zudem vor, sich zu wenig für mehr Personal einzusetzen. Die CDU-Abgeordnete Eva Feußner reagierte mit einer scharfen Einlassung: Die Rede Kolb-Janssens „dreist und makaber“. Als Justizministerin habe diese am Kabinettstisch gesessen, als vergangene Sparhaushalte verabschiedet wurden.

„Als Populismus im schlechtesten Sinne“ bezeichnete Hans-Thomas Tillschneider von der AfD die Initiative. Die Linke als Mitinitiator hätte diese gekapert. Dabei hätte die Partei mit der Zustimmung zur „Masseneinwanderung“ den Lehrermangel zuvor selbst verschärft. „Was sie tun, ist Diffamierung von 77.000 Bürgern“, entgegnete Linken-Politiker Thomas Lippmann. Und zur Koalition: „Das Kind ist in den Brunnen gefallen, sorgen Sie dafür, dass es nicht ertrinkt.“

Geld offenbar vorhanden

Am Geld hapert es indes nicht so sehr, wie vom Bildungsminister nahegelegt: Wie die Volksstimme aus dem Finanzministerium erfuhr, könnte das Bildungsressort sofort 340 Stellen zusätzlich ausschreiben – sie sind finanziert. Schaffe die Behörde das nicht, wären es im neuen Jahr sogar 900. Tullner könne aus dem Vollen schöpfen, hieß es. Die tatsächlichen Baustellen seien das Fehlen schneller Ausschreibungen und mangelnde Bewerber.